Was sind bidirektionale OTDR-Tests?

Hier erfahren Sie alles, was Sie über bidirektionale OTDR-Tests wissen müssen. Lernen Sie die Funktionsweise, Vorteile und Nachteile sowie verschiedene Testmethoden und Messgeräte kennen!

OTDR-Tests bieten den Vorteil, dass für deren Ausführung nur ein Ende der Glasfaser zur Verfügung stehen muss. Für die Entfernungs- und Dämpfungsmessungen werden die Rückstreuung und die Fresnel-Reflexion des Lichtes auf der Faser analysiert. Dadurch ist es möglich, die gestreuten und reflektierten Photonen an dem gleichen Standort zu messen, an dem das Testsignal in die Glasfaser eingekoppelt wurde. 

Um die Auswirkungen von Messfehlern durch herkömmliche unidirektionale Tests weitestgehend zu vermeiden, wurden bidirektionale Tests entwickelt, die eine höhere Zuverlässigkeit und Präzision dieses wichtigen Messverfahrens gewährleisten.  Wie der Name bereits andeutet, wird die Glasfaser bei diesen bidirektionalen OTDR-Tests von beiden Faserenden aus charakterisiert und die Dämpfung gemessen.

Neben dem OTDR und der zu testenden Glasfaserfaser umfasst die Basiskonfiguration eines OTDR-Tests auch eine Vorlauffaser und eine Nachlauffaser. Die Vorlauffaser verbindet den OTDR-Testanschluss mit der zu testenden Faserstrecke. Sie wird unter anderem zur Pulsunterdrückung genutzt, da sie den vom OTDR eingekoppelten Lichtpuls stabilisiert, bevor dieser die zu testende Faser erreicht. Die Nachlauffaser wird am anderen Faserende angeschlossen. Ihre Länge ist so gewählt, dass die Dämpfung des letzten Verbinders an der zu testenden Faser vom OTDR noch gemessen werden kann. 

Durch die beiden Vorlauf- und Nachlauffasern entsteht eine an beiden Enden der Faserstrecke symmetrische Konfiguration. Bei bidirektionalen OTDR-Tests werden die gleichen Faserparameter mit dem gleichen oder einem zusätzlichen OTDR ein zweites Mal am anderen (fernen) Ende der Faserstrecke gemessen. Anschließend werden die Ergebnisse, die man in der Gegenrichtung erhalten hat, zu denen der ersten Aufnahmemessung addiert und daraus Mittelwerte gebildet.

Häufig stellen bidirektionale Glasfaser-Tests aufgrund der Testmethode an sich bereits genauere Messergebnisse zur Verfügung, als es mit unidirektionalen Messungen möglich wäre. Da die Streckendämpfung sowie die dämpfenden Ereignisse auf der Faser mithilfe der Rayleigh-Rückstreuung ermittelt werden, muss der Rückstreukoeffizient der Glasfaser bekannt und im OTDR eingegeben sein. Dieser Koeffizient kann sich von Faser zu Faser unterscheiden und selbst auf der gleichen Faser variieren. Diese Schwankungen können dazu führen, dass an den Verbindungsstellen zwischen zwei Faserstrecken vom OTDR fälschlicherweise eine übermäßige Signaldämpfung oder sogar eine negative Dämpfung (Verstärkung) ausgegeben wird. Weitestgehend vermeiden lassen sich diese Falschauswertungen, wenn mithilfe der bidirektionalen OTDR-Messung die Ergebnisse für die Dämpfung der gesamten Faserstrecke sowie die einzelnen Dämpfungswerte der Ereignisse (Verbinder, Spleiße) auf der Faser gemittelt werden.

Wenn eine Faser mit einem niedrigeren Rückstreukoeffizienten mit einer Faser mit einem höherem Rückstreukoeffizienten verbunden wird, kann das OTDR die tatsächliche Dämpfung an dieser Verbindungsstelle (Stecker oder Spleiß) nicht korrekt erkennen. Stattdessen wird ein sogenannter Gainer, also eine scheinbare Verstärkung angezeigt, da die gemessene Rückstreuung hinter dem dämpfenden Ereignis (der Verbindungsstelle) größer ist als davor. Sollte der Faserübergang in umgekehrter Richtung, also von einem höheren zu einem niedrigeren Rückstreu-Koeffizienten erfolgen, ist auf der daraus resultierenden Kurve an der gleichen Verbindungsstelle eine scheinbar höhere Dämpfung (Loser) erkennbar. Hier erlaubt die Mittelung der Werte, die bei den Messungen in beiden Richtungen (bidirektional) erhalten wurden, die tatsächlich vorhandene Dämpfung an der Verbindungsstelle genauer zu bestimmen. 

Apparent loss/gain at the fiber junctions due to the backscatter coefficient difference as seen through bidirectional OTDR test

Ermittlung der tatsächlichen Spleißdämpfung mit bidirektionalen OTDR-Tests

OTDR
 
O->E
E->O
Summe
Mittelwert
Tatsächliche Dämpfung
Spleiß A
-0,02
0,08
0,06
0,03
0,03
Spleiß B
0,12
0,02
0,14
0,07
0,07

 

Ein weiterer Vorteil bidirektionaler Messungen besteht darin, dass sie die Auswirkungen von Totzonen abschwächen. Normalerweise führt die Fresnel-Reflexion beispielsweise des ersten Steckverbinders oder Spleißes zu einer zeitweisen Sättigung des Detektors im OTDR. Der so „geblendete“ Sensor kann daher die reflektierten und zurückgestreuten Lichtpulse weiterer Ereignisse, die sich direkt hinter diesem ersten Spleiß oder Verbinder befinden, nicht mehr erkennen. Da die Auswirkung von Totzonen in der Regel häufiger in der Nähe des OTDR auftritt, ermöglicht die Messung in Gegenrichtung vom anderen Faserende aus, die Ereignisse dicht am OTDR, die im Bereich der Totzone liegen, präzise zu erkennen und zu messen.

Zum Charakterisieren sehr langer Glasfaserstrecken, die beispielsweise Städte und Länder miteinander verbinden, werden leistungsstarke OTDRs mit einem höheren Dynamikbereich benötigt, um die Faserstrecke in einer Messrichtung (unidirektional) korrekt zu erfassen. Auch hier bieten Glasfasertests, die beispielsweise mit einem bidirektionalen OTDR in beide Messrichtungen ausgeführt werden, eine hervorragende Möglichkeit, die Messgenauigkeit über diese sehr großen Entfernungen zu verbessern.

Wenn man diese beiden OTDR-Messungen dann miteinander kombiniert, lassen sich die Auswirkungen des sich abschwächenden Testpulses am jeweils fernen Faserende weitestgehend verringern. Bei Langstrecken-Anwendungen nutzt man weniger die Mittelwertbildung. Stattdessen werden die beiden vom OTDR ausgeführten Aufnahmemessungen genutzt, um eine kombinierte OTDR-Kurve zu erstellen, bei der sich die dem jeweiligen Ende näherliegenden Hälften in der Mitte der Strecke treffen.

Nachteile bidirektionaler OTDR-Tests

Trotz der Vorteile, die bidirektionale OTDR-Test bei der Messgenauigkeit und Reichweite bieten, stellt diese Methode höhere Anforderungen an die Ergebnisauswertung. In der Basiskonfiguration bidirektionaler Tests mit nur einem OTDR muss das OTDR vom lokalen Faserende zum entfernten Faserende transportiert werden, um den Messzyklus in der Gegenrichtung abzuschließen.

Selbst wenn zwei OTDRs zur Verfügung stehen, kann die bidirektionale Messung mit einem erhöhten Zeitaufwand für Konfiguration, Transport und Testauswertung verbunden sein.

Bidirektionale OTDR-Tests können die Qualität und Genauigkeit der Messwerte insgesamt erhöhen. Trotzdem sollte beachtet werden, dass diese Methode keine Einrichtungsfehler, wie verschmutzte Steckverbinder, falsche Testparameter oder ein übermäßiges Rauschen auf der Kurve, kompensiert. Da die Tests in diesem Fall zudem zwei Mal ausgeführt werden, erhöht sich das Risiko für Fehler und widersprüchliche Messergebnisse.

Da sich die Vorteile und Probleme in Verbindung mit bidirektionalen OTDR-Tests allmählich im Laufe der Jahre herausgebildet haben, sind auch verschiedene kreative Lösungen in Form von neuen und innovativen Testmethoden entstanden. Alle diese Methoden bieten in Bezug auf die Messgenauigkeit und Reichweite sowie die Effizienz und Aussagekraft der Messergebnisse bestimmte Vorteile.

Konventionelle bidirektionale OTDR-Tests

Die als „traditionell“ oder „konventionell“ bezeichneten bidirektionalen OTDR-Tests sind am einfachsten durchzuführen und erfordern den geringsten Aufwand an Messgeräten. Hier werden mit dem gleichen OTDR einfach zwei voneinander unabhängige Messungen ausgeführt. Für die erste Aufnahmemessung wird das OTDR am lokalen Ende an die Vorlauffaser angeschlossen, während die Nachlauffaser am fernen Faserende nicht mit einem Tester verbunden ist.

Danach trennt der Techniker das OTDR von der Vorlauffaser, verändert den Messaufbau ansonsten nicht und begibt sich zum anderen Faserende. Dort schließt er das OTDR an die Nachlauffaser an und führt die zweite Aufnahmemessung mit den gleichen Parametern in die entgegengesetzte Richtung aus. Bei dieser Methode ist es wichtig, dass die Konfiguration der getesteten Faserstrecke bei beiden Tests identisch ist, um eine aussagekräftige Mittelwertbildung der Ergebnisse der zwei Dämpfungsmessungen zu gewährleisten.

Automatische bidirektionale OTDR-Tests

Der Zeit- und Auswertungsaufwand sowie die Komplexität, die mit der konventionellen Methode verbunden sind, lassen sich mit automatischen bidirektionalen OTDR-Tests deutlich verringern. Hierfür kommen ein lokaler OTDR-Tester (Master) sowie ein am fernen Faserende angeschlossenes OTDR (Remote-Gerät) zum Einsatz. Da beide Geräte miteinander kommunizieren, sind identische Testkonfigurationen, eine durchgehende Faserverbindung sowie eine bedienerfreundliche Aufnahmemessung und Datenerfassung gewähreistet. Diese Vorteile automatischer Tests können die Messdauer verkürzen und gleichzeitig das Fehlerrisiko erheblich senken. Die Verwendung einer Komplettlösung erlaubt, die gleichen Automatisierungsfunktionen zu nutzen, um OTDR-Tests bei mehreren Wellenlängen (zum besseren Erkennen von Faserbiegungen) durchzuführen sowie für beide Messrichtungen die Einfügedämpfung und optische Rückflussdämpfung (ORL) zu ermitteln.

Weitere bidirektionale OTDR-Testmethoden

Über die Jahre wurden weitere bidirektionale OTDR-Testmethoden entwickelt, um die Messungen effizienter zu machen und die Anzahl der benötigten Tester zu verringern. Eine dieser Methoden ist die Schleifenmessung (Loopback-Test). Anstatt am fernen Faserende ein zweites OTDR anzuschließen, verbindet ein Schleifenkabel eine Faser mit einer zweiten, ebenfalls zu testenden Faser. Auf diese Weise fließt der vom OTDR eingespeiste Testpuls durch die erste Faser, dann durch die Schleife und schließlich über die zweite Faser zurück zum OTDR, sodass beide Fasern gleichzeitig unidirektional gemessen werden. Um von den Vorteilen bidirektionaler OTDR-Tests zu profitieren, werden dann beide Fasern zusammen mit der Schleife vom gleichen Standort aus in der Gegenrichtung gemessen. Diese Methode kann die traditionelle OTDR-Testmethode verwenden, bei der das OTDR erst an der ersten Faser und dann an der zweiten Faser angeschlossen wird, um in beiden Richtungen eine manuelle Aufnahmemessung auszuführen und die Ergebnisse manuell zu kombinieren. Aber auch automatische OTDR-Tests sind möglich, bei denen an jeder Faser jeweils ein OTDRs angeschlossen wird, um in jeder Testrichtung die Aufnahmemessungen automatisch durchzuführen und die Ergebnisse ebenfalls automatisch zu kombinieren.

Derzeit ist eine Vielzahl von bidirektionalen OTDR-Testern verfügbar, um effiziente und vielseitige Glasfasermessungen durchzuführen. OTDRs und multifunktionale Tester lassen sich mühelos und auf Tastendruck für automatische bidirektionale OTDR-Messungen und andere bidirektionale Fasertests konfigurieren. Hierfür werden die Messgeräte an beiden Enden der Faserstrecke angeschlossen, von wo aus sie miteinander kommunizieren und die Testdaten in kürzester Zeit über Ethernet, WLAN oder mobile Hotspots weiterleiten können. Um die Bedienerfreundlichkeit weiter zu erhöhen und den Arbeitsablauf zu beschleunigen, übernehmen diese Geräte auch das Erstellen der Messberichte.

Integrierte Testlösungen können bidirektionale Glasfasertests bei mehreren Wellenlängen über einen einzigen Testanschluss ausführen. Damit erhöht sich die Effizienz des Testablaufs, der Techniker spart bei den Installations- und Abnahmemessungen wertvolle Zeit und die Fehlerdiagnose und Wartung werden rationalisiert. Mit ihrer hohen Messgenauigkeit, Reproduzierbarkeit und Automatisierung bieten sich diese Systeme für viele Anwendungen als zuverlässige Lösung zur Qualifizierung und Charakterisierung von Glasfasern an.

Das OTDR hat völlig neue Maßstäbe für die optische Kommunikationstechnologie gesetzt, da es uns erlaubt, in Tausende Kilometer von Glasfasern „hineinzusehen“. Früher musste man bei bidirektionalen OTDR-Tests einen Kompromiss zwischen der Integrität der Daten und dem Bedienkomfort eingehen. Heute stellen neue und optimierte Messmethoden zusätzliche Funktionen und zeitsparende Leistungsmerkmale zur Verfügung, die die präzise Fasercharakterisierung zum neuen Branchenstandard werden lassen.

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